Ein zweiter Blick auf Schwarzweißfotografie

Ein zweiter Blick auf Schwarzweißfotografie #
Vertrautheit kann trügen #
Geht es dir manchmal auch so, dass du dich intensiv mit einem Thema beschäftigst, bis sich ein Gefühl der Vertrautheit einschleicht? Aus dieser Vertrautheit wird schnell die Gewissheit, man kenne sich bestens aus – und ehe man sich versieht, urteilt man vorschnell über etwas, von dem man eigentlich keine Ahnung hat.
Vielleicht ist das sogar eine Art Abwehrstrategie des Unterbewusstseins, um ein mögliches Scheitern abzuwehren.
Mir ging es so mit der Schwarzweißfotografie.

Erinnerungen an das Fotolabor #
In meiner Kindheit hatte mein Vater ein kleines Fotolabor im heimischen Heizungskeller. Im Nachhinein denke ich, dass das sein persönlicher Rückzugsort war – ein Ort, an dem er vom stressigen Job abschalten und sich fast meditativ auf eine Sache konzentrieren konnte.
Eine Zeit lang fand ich es spannend, den Prozess zu beobachten, wie aus einem graubraunen Kunststoffstreifen ein Bild entstand, das man sich an die Wand hängen konnte. Mich faszinierte damals vor allem die Technik. Ich wusste, dass es verschiedene Filmempfindlichkeiten gab, kannte Begriffe wie Blende und Belichtungszeit, und dass sich Schwarzweißfilme und deren Positive zuhause einfacher entwickeln ließen, war auch schnell klar.
Für mich war Schwarzweißfotografie deshalb vor allem das Tüfteln meines Vaters. Als ich im Frühsommer 2024 meine alte Canon 350D wieder in die Hand nahm und im Prag-Urlaub bewusst fotografieren ging, entschied mein Unterbewusstsein spontan: „Ich mache ausschließlich Farbfotos. Das Leben ist bunt, also sollen es auch meine Bilder sein.“

Fotografie als Meditation #
Je mehr ich mich mit Fotografie beschäftigte, desto klarer wurde mir, dass es mir nicht darum ging, das perfekte Bild zu posten und Likes in sozialen Medien zu sammeln. Für mich liegt der Reiz im Moment der Aufnahme selbst: durch den Sucher blicken, das Motiv im Fokus, eine kurze Pause vom Alltag. Fast wie Meditation.
Der Impuls zur Schwarzweißfotografie #
Unlängst sprach ich mit ein paar Kollegen über Fotografie. Florian, einer von ihnen, hatte eine alte russische Kamera ausgegraben und experimentierte damit.
Analogfotografie war mir zwar nicht fremd – als Jugendlicher hatte ich viel mit einer alten Pentax fotografiert – doch in den letzten Jahren wollte ich mich damit nicht mehr beschäftigen.
Die Diskussion und Florians Plan, bald einen Schwarzweißfilm einzulegen, inspirierten mich dennoch so sehr, dass ich mir ein rein manuelles Objektiv kaufte: das TTArtisan 25mm f/2, das an meiner Olympus EM5 Mark II einem 50mm-Objektiv entspricht. Mit einem 1/8 Mist-Filter baute ich mir sozusagen meinen eigenen Analogsensor.

Inspiration durch Ansel Adams #
Offenbar hatte mir mein Unterbewusstsein wieder einen Streich gespielt. Beim Stöbern in Podcasts stieß ich zufällig auf eine Sendung über Ansel Adams – ein Idol meines Vaters. Besonders interessant fand ich, dass Adams viel mit Filtern arbeitete, um den gewünschten Bildeindruck zu erzeugen.
Das machte mich neugierig, denn meine bisherigen Schwarzweißversuche waren eher langweilig ausgefallen. Ich merkte: Einfach nur die Farbe wegzulassen reicht nicht – ein gutes Schwarzweißbild lebt von starken Kontrasten. Und vielleicht ist das ja auch ein Ausweg bei langweiligem, tiefblauem Himmel.

Doch Schwarzweiß muss nicht immer dramatisch sein. Manchmal lebt ein Bild auch von seiner Ruhe und Zurückhaltung, von einem Motiv, das wie aus der Zeit gefallen wirkt, ohne den Himmel in den Vordergrund zu stellen.

Also kramte ich in den alten Fotobüchern meines Vaters und stieß auf das Zonensystem von Ansel Adams. Und wieder wurde mir klar: Es lohnt sich, abseits der ausgetretenen Pfade nach Inspiration zu suchen.
Viel zu oft stehe ich mir selbst im Weg, stufe Themen vorschnell als uninteressant ein – so wie damals: „Ansel Adams? Der fotografiert doch nur Landschaften in Schwarzweiß – beides nichts für mich.“
Fazit #
Wie so oft lohnt sich ein zweiter Blick.
Und manchmal lernen wir erst aus unseren Irrtümern, wie spannend ein Thema wirklich sein kann.